MDR Kultur: Humor schwarz, aber ehrlich



Goths muten dunkel und düster an, sind aber alles andere als todernst. Einer, der das auch künstlerisch umsetzt, ist Illustrator und Grafiker Jan-Erik Mendel. Der 30-Jährige zeichnet Porträt-Karikaturen der Szene. Jeannine Völkel sprach für MDR KULTUR mit dem Künstler.

Jan-Erik Mendel zeichnet leidenschaftlich gern. Der Grafiker ist bekannt für seine "Gotikaturen", also Porträts von Szeneanhängern und -größen. Er stammt ursprünglich aus Karlsruhe, hat aber einige Zeit in Leipzig gelebt.

Seit November 2017 wohnt er mit seiner Verlobten und seinem kleinen Sohn in Schweden.
Wir haben ihn gefragt, was seine Leidenschaft für die schwarze Szene ausmacht, was ihm das WGT bedeutet und ob man auch in der dunklen Szene seinen Humor bewahren kann.




MDR: Seit wann zeichnen Sie?

Jan: Ich zeichne eigentlich schon immer. Meine Eltern haben Aktenordner voller Illustrationen, die ich offenbar bereits 1991, also als Dreijähriger, produziert habe. Schon damals in "Fließbandarbeit" und immer mit einem Motto.
Mal waren es Ritter, mal waren es Vampire oder Hexen. Auf jeden Fall immer etwas Mysteriöses.
Seit einigen Jahren habe ich mich dann den Goths gewidmet.

M:  Warum „Gotikaturen“?

J: Das war eigentlich ein Zufall. Irgendwann im Spätsommer 2013 habe ich zwei Karikaturen von ASP und Robert Smith auf meiner Facebookseite hochgeladen und total verwundert festgestellt, dass ich plötzlich hunderte von Likes bekommen habe. Es kamen sogar schon damals einige Anfragen, ob ich denn auch Privatpersonen zeichnen könne/wolle und natürlich habe ich dies bestätigt. Gotikatur ist für mich persönlich eine Art soziales Netzwerk geworden, denn so bin ich auch zu vielen neuen Bekanntschaften und Freundschaften gekommen.

M: Schwarze Szene und Humor scheinen sich auf den ersten Blick auszuschließen - doch Ihre "Gotikaturen" zeigen, die Szene nimmt sich nicht immer so ganz ernst ...

J: Gerade weil die schwarze Szene ja so düster und unnahbar wirkt und es natürlich teilweise auch ist, gibt es gerade dort jede Menge Leute, die eine besondere Form von Humor besitzen.
Mag er makaber oder teilweise gar derb, eventuell auch blasphemisch sein, die Hauptsache ist: Er ist ehrlich.
Das ist eine Sache, die ich an der Szene mag und wieso ich mich auch nach Jahren dort zu Hause fühle.

M: Was fasziniert Sie an der schwarzen Szene?

J: Mich fasziniert vor allem die Vielfalt der musikalischen Strömungen. Persönlich bin ich im 80er-Wave und Post Punk bzw. Gothrock hängengeblieben, aber ich bin in der Regel auch sehr offen für Neueres.
Die Ästhetik, besonders im Oldschoolbereich, finde ich großartig und sehr atmosphärisch.
Als ich noch in der Bundesrepublik gelebt habe, bin ich oft auf Partys, Konzerten oder Festivals unterwegs gewesen und habe diese Zeiten sehr genossen. Hier in Schweden gibt es all das nicht bzw. nur in Stockholm oder Göteborg und auch nur ziemlich selten. Aber ich persönlich habe kein wirkliches Verlangen mehr auszugehen.
Hier findet man soviel Inspiration in der sehr atmosphärischen Natur, so dass ich mich sehr gut auf meine kreative Arbeit und natürlich vorrangig auf meine Familie konzentrieren kann.

M: Wie sind Sie mit der Szene in Berührung gekommen?

J: Das war eigentlich relativ spät, da war ich bereits 19, 20. In der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, gab es so etwas wie eine schwarze Szene nicht. Da gab es nur Individualisten, die sich im Pausenhof oder zum Gammeln im Park getroffen haben.
Man hat sich gegenseitig beeinflusst, auch musikalisch.
Anfangs war das ein Mix aus Rammstein und Marilyn Manson, dann kamen The Sisters Of Mercy dazu und irgendwann hat mich der Schlag getroffen, als ich zum ersten Mal The Cure gehört habe.
Das ist seit Jahren meine allerwichtigste Band, die ich auf jeden Fall behalten würde, selbst wenn ich alle anderen aufgeben müsste. Durch Facebook und damals noch Myspace habe ich dann über die Jahre viele gruftige Freunde und Bekannte kennengelernt und bin dann in Deutschland herumgereist.
Die Szene ist wie eine Familie, mit manchen hat man viel zu tun, mit anderen etwas weniger, aber letztlich ist es gut so, dass alle da sind, auch wenn manche sich oftmals gegenseitig auf die Nerven gehen. Denn es gibt ohnehin viel zu wenige von "uns" seltsamen Gestalten und generell viel zu wenig Subkultur, so kurz vor den 20er Jahren.

M: Wie oft waren Sie schon beim Wave-Gotik-Treffen dabei?

J: Ich war bisher erst dreimal auf dem WGT. Dieses Jahr falle ich aus ... Elternzeit (lacht).
Aber in den nächsten Jahren wird sicher wieder der eine oder andere WGT-Besuch anstehen, vielleicht auch mit Nachwuchs, wir werden sehen.

M: Was schätzen Sie am WGT?

J: Das Allerwichtigste am WGT ist das letzte Wort im Veranstaltungsnamen: Es ist ein Treffen und bietet allen die Möglichkeit, weit entfernt lebende Freundinnen und Freunde an einem Ort zu einer ganz bestimmten Zeit des Jahres zu treffen.
Natürlich könnte man das auch an allen anderen Tagen im Jahr tun, aber das WGT ist ein ganz besonders magischer, wundervoller Anlass dazu. Natürlich will ich auch Bands sehen, aber im Vordergrund steht das Treffen.

M: Sie haben einige Zeit in Leipzig gelebt. Wie gefällt Ihnen die Stadt?

J: In Leipzig zu wohnen war toll, günstige Mieten für Altbauwohnungen, ein Supermarkt direkt vor der Tür, viele Sehenswürdigkeiten und ein großes Programm zum Ausgehen für Schwarzkittel.
Leipzig fühlt sich an wie eine Insel der Glückseligkeit im Osten, der ja oft ein negatives Image hat.
In Leipzig habe ich das ganz anders erlebt, ich habe zum Großteil sehr offene und interessierte Menschen kennengelernt.
Aber vielleicht hatte ich auch nur Glück? Ich mag Leipzig jedenfalls.

M: Vielen Dank für das Interview!

J: Ich habe zu danken, hat mich sehr gefreut.


(Quelle: https://www.mdr.de/kultur/wgt/wgt-gotikatur-interview100.html )

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